Wie alles begann 

Im Jahre 1980 erschütterte eine furchtbare Tat die ganze Welt. Am 8. Dezember 1980 wurde John Lennon von dem geistig verwirrten Attentäter Mark David Chapman in New York vor dem Dakota Building erschossen. Im Radio und Fernsehen wurde nun viel über den berühmten Musiker berichtet und seine Lieder gespielt. Im Jahre 1981 wurde posthum das Lied „Woman“ veröffentlicht und erreichte in den deutschen Charts Platz 4. Dieses lief, wie man so schön sagt, rauf und runter. Irgendwann wann sagte Etwas in mir: “Dieses Lied darfst Du nicht hören oder es vor Dich hersummen, denn es ist von einem Toten und das bringt Dir Unglück. Du darfst auch nicht an John Lennon denken – das darfst Du nicht, denn er wird Dich übernehmen. Du wirst nicht mehr Du sein. Es wird Dir nur noch Unglück widerfahren.“ Tja, das wars ! Ab jetzt war nichts mehr wir früher. Das Lied breitete sich in meinem Kopf aus und ich musste immer an John Lennon denken. Das ist ja das Fatale, dass man an das denken muss, an das man nicht denken darf. Kennen Sie das Experiment vom rosaroten Elefanten ? Nein? Sie dürfen an alles Denken, nur nicht an einen rosaroten Elefanten! Nun an was denken Sie gerade ? Den rosaroten Elefanten kann man nach belieben austauschen. Nur was passiert, wenn es gerade ein Gedanke ist, der Ihnen Angst macht ? Richtig – Schach matt ! Dieses Lied war nur ein Auslöser. Es war der Gongschlag, der das Etwas, das schon lange in mir schlummerte, aufgeweckt hat. Und nun war es gleich hellwach. Ich stand ihm hilflos gegenüber. Es machte kindliche Magie für mich so real. Ich konnte dem nicht entkommen. Von nun an redete diese Etwas pausenlos auf mich ein und konstruierte immer neue schreckliche Konsequenzen, die unweigerlich eintreffen würden, wenn ich nicht gehorche. Eine meiner ersten hilflosen Reaktionen, waren die der Vermeidung. Also wenn das Lied irgendwo spielte hielt ich mir die Ohren zu. Das viel den Menschen um mich herum auf und schauten mich zuerst verstört an. Was macht der da ? Aber was sollte ich tun? Sollte ich sagen, dass ich das Lied nicht hören darf, weil sonst etwas schlimmes mit mir passiert. Denn ich war mir von der ersten Sekunde auch im Klaren, das dies absoluter Blödsinn ist, aber ich konnte einfach nicht anders, denn die Arumente, von diesem Etwas in mir waren so überzeugend und real. Dies war aber nur der Anfang. Es breitete sich immer weiter aus. Ich bekam Angst abends ins Bett zugehen, weil es ja möglich wäre am nächtsten Morgen nicht mehr aufzuwachen. Bevor ich das Licht ausmachte mussten die Kissen in einer bestimmten Art und Weise über die Lücke zwischen Wand und Bett gepackt werden, denn es könnten Spinnen nach oben krabbeln und über mich in der Nacht hinweg laufen. Und diese Angst, am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen. Was sollte ich tun ? In meiner grenzlosen Verzweiflung fing ich jeden Abend an zu beten. Ich wollte vom lieben Gott Hilfe. Er sollte dafür sorgen, dass ich auch am nächten Tag wieder aufwache. Und das war diesem Etwas genau recht, denn ich musste es tun. Es gab genau die Worte vor, die zu sagen hatte. Es verlangte ein Vaterunser und wehe ich hatte mich einmal verprochen, dann musste ich alles noch einmal von vorne machen. Sogar die Anzahl des Wortes „Bitte“ gab es vor und es war nie zufrieden. So begann dieses Ritual immer länger zu dauern.

Doch damit nicht genug. Auch wenn im Bus fuhr und mich auf einem Platz setzte, musste ich beten , dass vorher niemand darauf saß, der eine schlimme Krankheit hatte. Auch da gab es eine genaue Abfolge von Krankheiten, die ich aufzählen musste und es wurden immer mehr. Besonders stressig wurde es, wenn ich nicht allein fuhr. Wenn jemand bei mir war und mich während meines Rituales „störte“, dann musste ich von vorne beginnen. Glauben Sie mir, ich wurde nicht nur einmal angesprochen. So wuchsen die Vorderungen von diesem Etwas und es schlichen sich noch mehr Rituale ein. Viele von ihnen bekam ich schon gar nicht mehr mit, weil sie fest verankert und vollautomatisch im täglichen Ablauf waren. Die Schule war zu Ende und die Lehre begann. Nun mußte ich jeden Tag, wie jeder Andere auch, mit dem Bus fahren. Sie kennen es selber. Irgendwie begenet man den gleichen Menschen. Man sieht jeden Morgen und jeden Abend die gleichen Gesichter.

Es begann auf dem Weg zur Berufsschule. Da gab es zwei Frauen. Durch ihre relativ lauten Unterhaltungen, konnte man schnell feststellen, was sie so dachten und was sie machten. Das war belanglos. Aber sie waren, sagen wir es mal ganz klar heraus, abgrundtief häßlich. Aber diese Tatsache gefiel „meinem“ Etwas sehr gut, denn wenn ich nachmittags zu Hause war und mich bei Musik entspannen wollte ,projizierte es diese Gesichter in meinen Kopf. Es ließ sie regelrecht in „meine Welt“ eindringen. Ich wollte mich aber nicht an diese Frauen erinnern. So ging ich schon mit Herzklofpen zum Bus, weil mit hundert-prozentiger Sicherheit diese Frauen wieder darin saßen. Es war ein guter Tag, wenn ich ihnen nicht begenete. Doch gute Tage waren selten – sehr selten. Mein Blick durfte sie nicht treffen. Ich durfte die Bilder in meinem Kopf nicht erneuern. Nicht hingucken nicht hingucken nicht hingucken. Aber es ließ sich nicht vermeiden. So schaute ich einkurzen Moment hin und gleich wieder weg. Doch was war das ? Jetzt meldete sich dieses Etwas wieder und sagte: “An was hast Du gedacht, als Du den Blick abgwendet hast ? War das nicht ein Toter ?“ Oh mein Gott. Wieder hinschauen und schnell wieder weg schauen. Aber wieder schaltete sich die Stimme ein: “An was hast Du zuerst gedacht, als Du weg geschaut hast ? Bist Du Dir sicher ? War daswirklich richtig ?“ Und so ging die ganze Prozedur von vorne los.Wer mich jetzt genau beobachtet, bemerkt, dass meine Augen wie wild hinundher rollten. Sie erinnern sich, was das Etwas von mir verlangte, wenn ich mich au feinen Sitz setzte ? Richtig, ich hatte ein Ritual zu folgen und nun kam dies noch dazu. Diese beiden Frauen waren erst der Anfang, denn es sollten noch mehr folgen. Bis es nicht nur Gesichter waren, sondern Gegenstände, Verkehrsschilder, Wände, Türen, Bilder und so weiter. Es machte auch vor zu Hause nicht mehr halt. Ein gewisses Grundschema, der erste und der letzte Gedanke, breitete sich immer weiter aus. Bei absolut allem was ich tat. Ist Ihnen bewußt was Sie wie oft am Tage so machen ? Nein ? Das ist auch gut so .Denn wenn wirklich alles zur Konzentrationsübung werden würde, wie würde es Ihnen wohl ergehen ? Stellen Sie sich dich bitte einmal vor, dass bei sich wirklich jeder Tätigkeit eine imaginäre Grenze aufbaut. Bevor Sie diese Grenze überschreiten, müssen Sie einen bestimmten Gedanken denken und nach dem Überschreiten dieser Grenze müssen Sie wiederum einen bestimmten Gedanken denken. Kein Problem ? Gut, machen wir es doch ein bisschen schwerer. Vor und nach dem Überschreiten dürfen Sie an alles Denken, nur nicht an einen rosaroten Elefanten. Lächerlich und immer noch einfach ? Gut, tauschen wir den Elefanten gegen ein Haus aus. Nun ? Vielleicht machen wir doch einmal folgendendes. Gehen Sie duch einmal aus dem Raum, in dem Sie sich gerade befinden hinaus. Die Türschwelle ist nun die imaginäre Grenze. Gehen Sie wieder hinein, aber sie dürfen nicht an ein Haus dabei denken. Egal was für ein Haus ist, Sie dürfen nicht dabei denken, denn wenn Sie es tun, wird etwas Grausames mit Ihnen geschehen. Ups, Sie haben an ein Haus gedacht ? Tja, dann müssen Sie es wohl wiederholen. Schon wieder ? Noch mal bitte, bis Sie es geschaft haben nicht an ein Haus zu denken. Ich will Sie nicht länger Quälen. Aber vielleicht haben Sie einen winzig kleinen Eindruck bekommen, was in einem Zwangskranken vorgeht.